14. Mai: Bürger-Energie-Tag

Carte blanche 14. Mai: Bürger-Energie-Tag

Die Zeit nach Covid-19 darf nicht wie die Zeit vor Covid-19 aussehen. Darin sind wir uns (fast) alle einig.  Unser Gesellschaftsmodell hat seine Grenzen gezeigt. Diese Krise hat die Zerbrechlichkeit unseres Wirtschaftssystems, unsere Abhängigkeit von einem globalisierten Markt, die Absurdität eines Niedrigkostenkonsums deutlich gemacht. In kaum zwei Monaten ist das Gebäude ins Wanken geraten.

Für viele von uns ist eine wirkliche Infragestellung unserer Lebensweise und unserer Prioritäten offensichtlich geworden. Ein Richtungswechsel zeichnet sich am Horizont ab. Und viele von uns stellen sich die Frage: „Wie sollen wir das machen?“

Dieser Richtungswechsel ist in den 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung verankert, zu deren Verwirklichung sich alle UN-Länder in der Agenda 2030 verpflichtet haben. Zusammen bilden diese Ziele einen Kompass, der viele Bereiche miteinander verbindet, wie zum Beispiel Ziel 7 “Gewährleistung des Zugangs aller zu zuverlässigen, nachhaltigen und modernen Energiedienstleistungen zu erschwinglichen Preisen”.

Zahlreiche individuelle und kollektive Initiativen, privat oder öffentlich, sind im Entstehen und zeichnen den Weg vor. Und sie alle laden uns ein, unser Handeln und unsere Bestrebungen in Einklang zu bringen. Kohärent zu sein.

Es gibt jedoch einige Bereiche, die strategisch wichtiger sind als andere, die in den Augen der Bürger oft noch immer schwer zugänglich zu sein scheinen. Und doch wird es ohne eine tiefgreifende Änderung dieser Sektoren keine wesentliche Umstellung geben.

Die Stromerzeugung und -versorgung gehören dazu.

Eine Entscheidung, die Eigenverantwortung voraussetzt

Erklären wir also diesen 14. Mai zum “Tag der Bürgerenergie”! Und nehmen wir uns die Zeit, über die gesellschaftlichen Entscheidungen nachzudenken, die unsere Strompräferenzen mit sich bringen. Die Wahl des Stromlieferanten ist kein banaler Akt und sollte keine rein kommerzielle Entscheidung sein. Elektrizität ist kein Konsumprodukt. Seine Produktion und Verteilung haben einen solchen Einfluss auf den Zustand des Planeten und auf die auf ihm lebenden Menschen, dass es als Gemeingut betrachtet und als solches verwaltet werden sollte.  

Sich für einen Stromlieferanten zu entscheiden bedeutet also, sich für die Welt zu entscheiden, in der wir leben wollen; es ist ein Akt, der uns zu unserer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, unseren Kindern und dem Planeten verpflichtet.

Wenn ich mich für einen Anbieter entscheide, kaufe ich nicht nur den Strom, der mir verkauft wird: Ich entscheide mich auch für das Wirtschafts- und Sozialmodell, das dahinter steht, ich unterstütze die Art und Weise, wie sich dieses auf die Umwelt auswirkt, ich folge seiner Vision von der zukünftigen Gesellschaft.

Aber nach welchen Kriterien wählen wir unseren Energielieferanten aus? Für viele von uns sind es ausschließlich die Preise, die uns leiten. Als ob alle Anbieter gleich wären. Und wir werden in dieser Wahl von den meisten Verbraucherverbänden und anderen Gruppenkaufplattformen ermutigt. Und sei’s drum wo der Strom tatsächlich herkommt und unter welchen Bedingungen er erzeugt wurde; egal wie das dahintersteckende Wirtschaftsmodell aussieht, das wir dadurch unterstützen; und egal wenn‘s Greenwashing ist, wenn es verlockende, zeitlich begrenzte Sonderangeboten sind und was im Kleingedruckten in den Bedingungen steht!

Elektrizität aus kontrollierter Herkunft

Aber es gibt eine Alternative. In den letzten Jahren haben sich Bürger in Belgien und ganz Europa zusammengetan, um ein alternatives Modell für die Produktion und Lieferung von Strom vorzuschlagen. Sie haben lokale Kooperativen gegründet, um selbst nachhaltigen Strom zu produzieren und ihn allen Bürgern zur Verfügung zu stellen. In der Wallonie und der DG sind in den letzten zehn Jahren 16 Bürgergenossenschaften gegründet worden. Sie verkaufen ihre Produktion an einen gemeinsamen genossenschaftlichen Lieferanten, den sie zu 100% kontrollieren. Es handelt sich dabei um COCITER, das „COmptoir CItoyen des Energies Renouvelables“, das bereits 5000 Haushalte in der Wallonie und der DG mit diesem Strom versorgt. Das ist das Prinzip der Wirtschaft der kurzen Wege: Die Bürger sind kollektiv Erzeuger und Nutzer ihres Stroms.

Dieser Strom kontrollierter Herkunft beteiligt sich somit aktiv an der Entwicklung der erneuerbaren Energien auf unserem Gebiet und an der notwendigen Relokalisierung der Wertschöpfung.

Die Covid-19-Epidemie erinnert uns, manchmal schmerzlich, daran, dass unser Wirtschafts- und Sozialmodell das Menschliche und Kollektive zu lange vernachlässigt hat. Eine Versorgung mit Elektrizität aus Bügerhand bedeutet die Entscheidung für eine Produktion in menschlichem Maßstab, in den Händen der Bürger, die nicht verlagert werden kann, und sie bedeutet die Teilnahme an der Entstehung eines gerechten und gemeinschaftlichen Gesellschaftsmodells. Eine Gesellschaft nach Covid-19.

Unterstützer:

Fabienne Marchal, Présidente – REScoop Wallonie asbl (Fédération des coopératives et associations citoyennes d’énergie).

Benjamin Wilkin, Directeur de l’Association pour la Promotion des Énergies Renouvelables (APERe).

Amélie Adam, Commission environnement du Barreau de Liège.

Bernard Bayot, Directeur Réseau Financité.

Hugues Bersini, Professeur d’informatique à l’ULB – Directeur du laboratoire d’Intelligence Artificielle de l’ULB – Membre de l’Académie Royale de Belgique.Jacques Crahay, Directeur Cosucra.

Adélaïde Charlier, Co-organisatrice du mouvement Youth For Climate

Luc Chefneux, membre de l’Académie royale de Belgique.

Fabrice Collignon, Entrepreneur solidaire liégeois

Jean-Pierre Gabriel, Président de Nature et Progrès Belgique.

Nadine Gouzée, Expert Développement Durable (ONU,UE,Be)

Alain de Halleux , cinéaste

Pierre Heldenbergh, Citoyen Liégeois.

Michel Huart, Enseignant à la Faculté des Sciences et à l’Ecole polytechnique de Bruxelles

Marek Hudon, Professeur à la Solvay Brussels School of Economics and Management (SBS-EM) de l’ULB.

Marc Lemaire, Coalition Kaya. 

Sybille Mertens, Professeur, ULiège.

Sylvie Meekers, Inter Environnement Wallonie. 

Quentin Mortier et Jean-François Herz, co-direction SAW-B.

Pierre Ozer, Chargé de recherche, ULiège.

Cordelia Orfinger, Groupe One.

Christian Paquet, Vice-Président des Cercles des Naturalistes de Belgique

Luc Pire, Entrepreneur engagé.

Olivier de Schutter, Professeur, UCLouvain

Anne-Cécile Vandalem, artiste, citoyenne

Felipe Vankeirsbilck, FVK – CNE

Grégoire Wallenborn, Chercheur-enseignant à l’ULB.

Arnaud Zacharie, Secrétaire général CNCD.